Sprache – der Schlüssel zur Welt

Ähnlich bestätigt dies der Neurobiologe Gerald Hüther, wenn er beschreibt, welche Bedingungen das menschliche Gehirn benötigt, um gut lernen zu können: „Das menschliche Gehirn braucht Beziehungen.“ Dazu führt er aus, dass das Gehirn keine Maschine ist die immerzu „Treibstoff“ braucht, nach dem Motto „viel Anregung hilft viel“. 

Vielmehr ist es laut Hüther wichtig,

àsinnvolle Beziehungen in dem Gelernten zu bilden: Es geht also darum, Verknüpfungen (Beziehungen) zwischen den erlernten Inhalten herstellen zu können. Damit dieser Prozess möglich wird, muss

àdie Bereitschaft für neue Erfahrungen immer wieder entwickelt werden. Nur so wird es überhaupt möglich neue Erkenntnisse zu gewinnen. Grundlegend für diese innere Bereitschaft, ist das Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens in sich selbst und in die Welt

Dieses tiefe Vertrauen das grundlegende Fundament für alle Entwicklungs-, Bildungs- und Sozialisierungsprozesse.  „Kinder müssen dieses Vertrauen auf drei unterschiedlichen Ebenen entwickeln:

  • als Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten, Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Bewältigung von Problemen,
  • als Vertrauen in die Lösbarkeit schwieriger Situationen gemeinsam mit anderen Menschen und
  • als Vertrauen in die Sinnhaftigkeit der Welt und das eigene Geborgen- und Gehaltensein in der Welt.“

Diese Entwicklung, das Vertrauen in sich und in die Welt, vollzieht sich laut dem Religionsphilosophen Martin Buber durch den „echten Dialog“. Damit meint er eine tiefe Begegnung zwischen den Dialogpartnern. Daraus resultiert für beide Seiten die Entwicklung, dass „der Mensch am Du zum Ich“ wird. Denn Offenheit ermöglicht Sicherheit und die Gewissheit: so wie ich bin, werde ich von meinem Gegenüber angenommen und respektiert. Dabei ist die dialogische Haltung eine Grundvoraussetzung.

Kinder bringen ihrerseits alles mit, damit sie eine gute sprachliche Entwicklung nehmen können. Dies beobachten wir im Hansenhaus täglich während des gemeinsamen erlebten (pädagogischen) Alltags, z.B. bei einer dialogischen Bilderbuchbetrachtung, in der Erzählzeit, im Stuhlkreis, oder in wiederkehrenden Alltagssituationen. Die Kinder begegnen uns mit einer großen Offenheit und Bereitschaft, sich immer wieder neu auf einen tiefen Dialog einzulassen. Sie sind interessiert an unseren Gedanken und fragen uns daher auch konkret nach unserer Meinung und erforschen somit unsere Haltungen. Sprachliche Entwicklungsbegleit-ung braucht gute Bedingungen, dies gilt es deutlich hervorzuheben. Genauso wichtig ist aber auch die Haltung, mit der die Entwicklung von Kindern begleitet werden muss. Wenn wir in einen echten Dialog mit den Kindern treten, leisten wir einen wesentlichen Beitrag zum Spracherwerb und damit zum Schlüssel zur Welt!

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