Emotionen und Sprache mit Handbremse?

Wir haben die frühe sprachliche Entwicklung auf unsere Agenda gesetzt. Unser Bildungsplan und zahlreiche Programme sehen vor, eine frühestmögliche Förderung zu ermöglichen. Sprache, Körpersprache und Bewegung sind unabdingbare Fähigkeiten, um die Ganzheitlichkeit unseres Seins, die Wahrnehmung von Vertrauen, Zuneigung, emotionaler Sicherheit, kurzum allem, was uns Menschen ausmacht, für Begegnungen einsetzen zu können. In den zurückliegenden zwei Jahren war es eine Herausforderung für uns Erwachsene und insbesondere für die Kinder, sich ganz anderen Regeln und Einschränkungen zu stellen, wie Abstand halten, den Freund, die Freundin der anderen Kita-Gruppen nicht besuchen zu dürfen etc. Die gegenseitigen Blicke der Kinder auf den Fluren in gebührendem Abstand, sind uns deutlich in Erinnerung. Und wenn sich ein Wasserspritzer beim Händewaschen doch „verlaufen“ hatte, war die Freude groß. Die Körpersprache in all ihren Facetten ergänzt das Lernen im Spracherwerb, besonders wenn Kinder aus 54 Nationen ihren Weg für Verstehen, Fühlen, Geborgenheit und für Wahrnehmen finden wollen.

Der telefonische und digitale Kontakt war ein Weg, in den wir uns, aber auch Eltern und Kinder einzuleben versuchten. Ein wirklicher Ersatz für reale Begegnung war es nicht. Auch wir Fachkräfte haben unsere digitalen Erfahrungen gemacht; es galt, technische Stolpersteine zu überwinden und eine gewisse entmutigende Müdigkeit in längeren Angeboten durchzustehen. Elternbesuche und persönliche Gespräche konnten immerhin eine Brücke bauen. Aber gerade Eltern sind in der derzeitigen Lage ängstlicher oder einfach zurückhaltender geworden, was die Zusammenarbeit, nämlich den Aufbau von Nähe und Beziehung, erschwert. In dieser Zeit und da kann ich nur für mich sprechen, bin ich froh, genau hier am Arbeitsplatz Kita sein zu dürfen, erste sprachliche Schritte begleiten, im Kinderlachen positive Gefühle auftanken zu können und die positive Resonanz meiner Kollegen und Kolleginnen zu spüren.

Es sind die kleinen Gesten, wie wenn ein Kind erfragt, welche Bedeutung ein Gegenstand hat oder wenn fröhliche Interaktionen beim Vorlesen gemeinsame Erlebnisse schaffen. Wenn ein kindliches Bauchgefühl Zuwendung erfährt, wenn Trösten auch körperliche Nähe hat und zum zwanzigsten Mal die Nase geputzt wird. Wenn die Kinder uns umarmen, fühlen auch wir uns angenommen und geborgen. Wenn wir in den unterschiedlichen Themen pädagogischer Begleitung Lachen und Freude, Weinen und Trauer in einer sicheren emotionalen Beziehung mit den Kindern gemeinsam erleben, ist das ein erster Schritt sich selbst angenommen und geborgen zu fühlen und es an die Kinder zurückgeben zu können. Wenn dieses Gefühl in uns Raum greift, ist es ein Leichtes, den Kindern „unbeschwert sein“ zu spiegeln und gleichzeitig selbst daraus Kraft zu schöpfen.

Die Kinder sind nicht nur Aufgabe, sondern ganz sicher auch ein Weg zu uns selbst und unseren Gefühlswelten.

Wenn eine kleine Kinderhand sich in die meine schiebt, ein Kind mich zum persönlichen Kinderfach geleitet, um mir all seine Schätze zu zeigen oder mich zu seinem Rucksack an der Garderobe führt, damit wir ein gemeinsames Frühstück einnehmen können, fühle ich Vertrauen, Geborgenheit, Zuneigung, Wärme und Zuversicht. Das alles verströmt eine unglaublich positive Kraft und ein Gefühl, mit dem ich in Resonanz gehen kann, um mich auf dieser Basis, mit den Kindern aus zu tauschen….Ich weiß, dass es sich lohnt…

 

Text und Foto: Bettina Ott, Sprachförderfachkraft in der Ev. Kindertagesstätte Berliner Straße

 

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