Haben Engel Flügel?

Religion ist in der Praxis für uns Erzieher oft ein sensibles Thema, mit dem wir Fachleuten, Pfarrern, Eltern und Kindern gerecht werden wollen. Daher scheint es zunächst kompliziert religiöse Erziehung mit pädagogischer Arbeit zu verbinden. Man stellt sich Fragen wie: „Wie soll ich den Kindern dennGott erklären?“, „Wie soll ich das denn mit der Auferstehung Jesu von den Toten erklären?“ oder „Haben Engel Flügel oder wie ist das?“.

Scheinbar handelt es sich bei allem um komplizierte Themen und Fragen mit denen man sich selbst nicht unbedingt auseinandersetzen möchte. Religion für sich selbst ist für viele immer noch eine eher private und individuelle Thematik.

In Matthäus 19, 13-15 sagt Jesus zu seinen Jüngern: Lasset die Kinder und wehret ihnen nicht, zu mir zu kommen; denn solchen gehört das Himmelreich.“. Es ist ein beliebter Vers der immer wieder als das Aushängeschild für Kindergottesdienste oder Erzählzeiten genutzt wird.

Jesus spricht in diesem Vers zu seinen Jüngern, seinen Nachfolgern und Schülern, die dem jüdischen Volk angehörten und für Ihre besondere Kinderfreundlichkeit bekannt sind. Immer wieder wird das Motiv des Kindes in der Bibel aufgegriffen. Das Volk Israel wird oft mit den Begrifflichkeiten „Kinder Gottes“ oder „Gott als sein liebender Vater“ umschrieben. Jesus sagt den Satz zu seinen Jüngern, nachdem diese vielen Familien mit Kindern verboten hatten, Jesus bei seinen Reden zu stören. Die Eltern wollten, dass Jesus ihre Kinder segnet, da ein Segen im jüdischen Kontext damals etwas ganz Besonderes war. Ein Segen wurde eigentlich immer nur vom Vater an die nächste Generation weitergegeben und stellte ein Versprechen dar, welches Schutz und Bewahrung beinhaltete. Im Alten Testament lässt Gott den Segen nur bestimmten Menschen zukommen. Er segnet die Urväter Israels Abraham, Isaak und Jakob. Nun sollen im Kontext des Verses die Kinder diesen Segen vom Sohn Gottes empfangen. Jesus belehrt seine Jünger in diesem Umfeld ein weiteres Mal und greift das Motiv des Kindes auf um zu erläutern, „wie die Sache mit Gott eigentlich funktioniert“. Er spricht davon, dass den Kindern das Himmelreich gehört und greift ein Motiv auf, welches sich bereits am Beginn des Matthäusevangeliums in den Seligpreisungen der Bergpredigt wiederfindet. Jesus selbst zeigt nun hier eine Lösung für das „Problem“ im Umgang mit religiöser Erziehung im pädagogischen Umfeld.

Kinder sind neugierige und freudige Entdecker ihrer eigenen Umwelt. Sie lernen durch eigene Erfahrungen und haben Spaß an neuen Entdeckungen. Warum also nicht auch die Religion und die Bibel entdecken? Der Umgang mit der Religion ist etwas, was keiner richtig oder falsch machen kann. Kinder sehen manche Fragen die wir als Erwachsene, vor allem als pädagogische Fachkräfte, haben gar nicht als derart kompliziert an. Sie fragen einfach nach und sind neugierig. Es ist daher auch nicht schlimm, wenn man einmal auf eine Frage keine Antwort weiß, da man selbst forschen und entdecken kann. Wir als pädagogische Fachkräfte wollen uns als Begleiter und Unterstützer in diesen Entdeckungsprozessen verstehen und dazu gehört es auch, nicht immer eine Antwort auf alle Fragen zu haben. Man kann immer etwas dazu lernen und dies vor allem mit und von den Kindern. Wir dürfen daher bei ihrer Entdeckungsreise durch Religion und Bibel immer authentisch sein.

Jesus beschreibt die Kinder hier als eben diese neugierigen Entdecker. Sätze wie „so was fragt mandoch nicht“ sind hier fehl am Platz. Dazu möchte Jesus die Jünger ermutigen. Wie Kinder fragen und entdecken ist einzigartig. Religion und Glaube brauchen genau diese Art von Neugier um entdeckt zu werden. Kinder sind dabei der Schatz den wir brauchen um gemeinsam zu wachsen und zu lernen. Denn Religion und Glaube werden niemals langweilig und bleiben immer spannend, wenn man sich damit auseinandersetzt. Warum dann nicht auch wie ein Kind neugierig bleiben um zu entdecken und zu lernen? Denn genau darauf kommt es an. Also keine Angst vor Religionspädagogik. Es ist nicht so kompliziert, wie es im ersten Moment scheint. Lernen wir zusammen immer wieder Neues, denn alles andere ist auf Dauer langweilig.

Text: Deborah Weber, Erzieherin und Gemeindepädagogin, Kita Emil-von-Behring-Strasse

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